Der nachfolgende Gastbeitrag wurde von Sven Wilke (Country Manager fĂŒr die DACH-Region bei Financer) verfasst. Financer ist ein globales Vergleichsportal, das Verbrauchern dabei hilft, klĂŒgere finanzielle Entscheidungen hinsichtlich der Kreditaufnahme, Anlage und persönlichen Finanzen zu treffen.
Als der DAX im MĂ€rz innerhalb von nur 17 Tagen um 25 % sank, verzeichnete er den schnellsten Kursverlust in seiner 32-jĂ€hrigen Geschichte. Ein Ă€hnliches Bild zeichnete sich am amerikanischen sowie chinesischen Aktienmarkt ab und viele Experten prognostizierten, dass ein mit der Weltwirtschaftskrise vergleichbares Szenario eintreffen könnte. Die Wirtschaft hat sich seitdem nicht erholt, sondern es herrscht eher das Gegenteil â Unternehmen kĂ€mpfen mit niedrigen UmsĂ€tzen, viele Menschen sind weiterhin in Kurzarbeit oder haben ihren Job aufgrund der aktuellen Wirtschaftslage verloren. Und die Börsen? Die Börsen ziehen wieder mit einer rasanten Geschwindigkeit an â wĂ€hrend der DAX im MĂ€rz einen Turbo-Crash verzeichnete, legte er inzwischen wieder auf 13.000 zu und steuert ein Rekordhoch an.
Ein Indikator dafĂŒr, dass die Börsen es geschafft haben, der Realwirtschaft zu entkommen? Woher kommt der Optimismus? Und wie hat Corona den Aktienmarkt verĂ€ndert?
Woher die positive Grundstimmung kommt
Konjunkturprogramme der Regierungen und Geldspritzen der Notenbanken haben viele Anleger zuversichtlich gestimmt, dass die Krise bald enden könnte. Allein die EuropĂ€ische Zentralbank will 1,35 Billionen Euro in das System pumpen â das entspricht 1.350.000.000.000,- EUR in Zahlen. Auf globaler Ebene haben Zentralbanken und Regierungen alleine in den letzten zwei Monaten ganze 13,4 Billionen Euro in Umlauf gebracht. Dieses Geld landet dort, wo Rendite erzielt werden kann â in diesem Fall bei gewissen Aktien, besonders aus dem Sektor der digitalen Wirtschaft.
Zwar ist die Krise noch lange nicht vorbei und die Auswirkungen werden noch eine ganze Weile zu spĂŒren sein, doch die Börse hat einen weiteren Grund, optimistisch zu denken. Sie ist in der Lage, mehrere Monate im Voraus zu denken und entsprechend zu handeln. Der momentane Leitgedanke unter den Optimisten lautet: Wir durchleben keine âU-förmige, sondern eine V-förmigeâ Erholung. Ob sich diese Annahme bewahrheitet, das werden wir in absehbarer Zeit erfahren. Tatsache ist aber, dass die Corona-Krise, anders als die Finanzkrise, nicht aus der Wirtschaft stammt â die wirtschaftliche Lage war auf globaler Ebene vor der Corona-Krise nĂ€mlich sehr gut. Vielmehr handelt es sich hierbei um eine Rezession, die auf politischer und administrativer Ebene ausgelöst wurde. Das ist mit einer Vollbremsung in voller Fahrt zu vergleichen.
Zur aktuellen positiven Grundstimmung trĂ€gt auch die Tatsache bei, dass sich das öffentliche Leben in den IndustrielĂ€ndern anfĂ€ngt zu normalisieren â es sei denn, die zweite Welle fĂŒhrt zu weiteren BeschrĂ€nkungen. Zudem lĂ€uft das Rennen nach einem Impfstoff bereits eine ganze Weile und es ist nur eine Frage der Zeit, bis dieser gefunden wird.
Das Verhalten der Anleger Àndert sich
Laut einer weltweiten Umfrage der Bank of America sind 80 % aller Fondsmanager der Meinung, dass Aktien ĂŒberbewertet sind. Momentan sind es nicht die GroĂanleger, die den Aktienmarkt regieren â immer mehr Kleinanleger und Amateure stĂŒrmen den Markt, und kaufen Aktien, um Kapital aus der aktuellen Situation zu schlagen. Eigentlich gelten die Deutschen doch als Aktienmuffel â bis zum letzten Jahr waren in Deutschland knapp 20 % aller Menschen Besitzer von Aktien. Diese Zahlen könnten in den kommenden Monaten gewaltig zunehmen. Der Online-Broker flatex zum Beispiel verzeichnete in der ersten HĂ€lfte von 2020 sogar 70.000 Neukunden. Damit steigen nicht nur die Zahl der Anleger, sondern auch die HandelsaktivitĂ€ten der Anleger. Nicht anders als in Deutschland ist die Situation europaweit â und vor allem in Amerika. WĂ€hrend dort vor der Corona-Krise 10 Millionen Menschen die Trading-App Robinhood nutzten, sind es nach jetzigem Stand rund 13 Millionen Menschen. Es ist ein ungewöhnliches Bild â GroĂanleger plagt die Corona-Angst, wĂ€hrend Kleinanleger zu SchnĂ€ppchenjĂ€gern werden.
Nicht alle trauen dem Hype
Anlagestrategen sowie Investoren geben sich mit der Geschwindigkeit, mit der sich die AktienmĂ€rkte zu erholen scheinen, sichtlich ĂŒberrascht. Man nimmt an, dass das Kurspotenzial ausgereizt ist und warnt davor, dass eine RĂŒckkehr in die âabsolute NormalitĂ€tâ nicht so schnell möglich ist, da dies auch in der Vergangenheit nach groĂen Krisen nicht der Fall war. Dass eine Erholung im kommenden Jahr ansteht, bezweifelt kaum jemand. Experten befĂŒrchten jedoch, dass es zu einer zu schnellen Erholung gekommen ist und die KapitalmĂ€rkte die Krise zu schnell abgehakt haben.
Zwar wĂŒrde ein zweiter Corona-Lockdown, der in einigen LĂ€ndern angesichts der zweiten Welle wieder begonnen hat, nicht so radikal gestaltet werden wie im MĂ€rz und April. Trotzdem wĂŒrde dieser Lockdown die TiefstĂ€nde aus den letzten Monaten testen. Zudem dĂŒrfen wir nicht vergessen, dass die 59. Wahl PrĂ€sidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten am 03. November 2020 ansteht. PrĂ€sident-Trump liegt laut aktuellen Umfragen in den wichtigen âSwing Statesâ weit hinter Biden. Zwar ist dieser weitaus moderater als sein politischer Gegner, jedoch könnte sein Sieg groĂe Unsicherheiten fĂŒr die Wall Street bedeuten. WĂ€hrend seiner Amtszeit hat Trump mit seiner Steuerreform die Unternehmen entlastet und ist somit Favorit der Börse.
Rund um das Thema Aktien gibt es von Experten verschiedenste Meinung und es scheint so, als hĂ€tte niemand eine genaue Ahnung davon, wie die kommenden Monate am Aktienmarkt aussehen könnten. Wie aber auch? Die Corona-Pandemie hat den Aktienmarkt verĂ€ndert, indem er noch unberechenbarer geworden ist. Nicht nur das âKonsumverhaltenâ der Anleger hat sich verĂ€ndert, auch die Aktien sind volatiler geworden.